Mittwoch, 16. Dezember 2015

Tillie Cole: "Sweet Soul" ("Sweet Home"-/"Carillo Boys"-Series)

Mit 20 Jahren ist Levi, der Jüngste der Carillo-Brüder, vollauf mit seinem Studium und dem Football-Training ausgelastet: Die dunkle Gang-Vergangenheit liegt längst hinter den Carillos, lastet aber immer noch auf Levis Seele, die noch schwerer nur am Tod der Mutter zu knabbern hat.
Der Frauenwelt gegenüber ist Levi völlig unsicher und absolut schüchtern; er schafft es kaum, ein unverfängliches Gespräch mit einem Mädchen zu führen.

Elsie, nur wenig jünger als Levi, hat fast ihr ganzes Leben auf der Strasse verbracht: Auf einem Ohr ist sie komplett taub, das Hörgerät, welches ihr zumindest ein mittleres Hörvermögen auf dem anderen Ohr bescherte, ist längst nachhaltig beschädigt: Taub zu sein macht es nicht grade leichter, obdachlos zu sein.
Theoretisch kann Elsie sprechen, praktisch hat sie sich aber ins Taubstummendasein geflüchtet, nachdem sie in ihrer Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen und letztlich übelst gemobbt wurde, weil ihre Stimme „falsch“ sei.

Als Levi und sie sich begegnen, ist es das erste Mal, dass Levi ohne Scheu auf ein Mädel zugehen kann und auch das erste Mal, dass Elsie in all ihrer Stille akzeptiert wird.
Levi nimmt die durch das nasskalte Wetter und ihre Lebensumstände krankgewordene Elsie mit heim. Während Elsie gesundet, nähern sich die Beiden mehr und mehr einander an, aber für Elsie ist es unvorstellbar, dass der charmante, zurückhaltende und so verständnisvolle Levi, ein aufstrebender Footballstar, für sie das Glück  -und umgekehrt- bedeuten sollte: Immerhin zeichnet ihre Behinderung, ihre Stimme, sie doch als „Zurückgebliebene“ aus?!

Tillie Cole: „Sweet Soul“°°° („Sweet Home“-Reihe, Band 4 bzw. “Carillo Boys”-Reihe, Band 3) 


Mit der “Sweet Home”-Reihe und der “Carillo Boys”-Reihe verhält es sich hier ähnlich wie mit Jamie McGuires „Beautiful“- bzw. ihrer „Maddox Brothers“-Reihe: Man kann die Reihen voneinander losgelöst betrachten, wobei eben auch der erste Band der „Carillo Boys“ nun bereits an die „Sweet Home“-Reihe anschloss.

Tillie Cole
Insgesamt sind die Reihenfolge in diesem speziellen Fall nu so aus:
„Sweet Home“ („Sweet Home“, Band 1)
„Sweet Rome“ („Sweet Home“, Band 1.5)
„Sweet Fall“ („Sweet Home“, Band 2 = „Carillo Boys“, Band 1)
„Sweet Hope“ („Sweet Home“, Band 3 = „Carillo Boys“, Band 2)
“Sweet Soul” („Sweet Home“, Band 4 = „Carillo Boys“, Band 3)
Mit “Sweet Soul” sollte(n) die gesamte(n) Reihe(n) nun übrigens abgeschlossen sein.

Das Paar Levi und Elsie lernt man übrigens bereits im Epilog zu „Sweet Hope“ kennen; „Sweet Soul“ ist nur darauf aus, doch auch noch ihre Paargeschichte zu erzählen. Aber wie der Roman endet, ist den Serienkennern doch bereits offenbart worden; da bleibt der „Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?“-Aspekt einfach aus.
(Tillie Cole hatte ursprünglich beabsichtigt, die Serie mit „Sweet Hope“ zu beenden, war nach jener Veröffentlichung aber immer wieder nach Levis Liebesgeschichte gefragt worden. In diesem Roman geht’s also prinzipiell nur darum, wie sie sich gekriegt haben.)

Im Falle von „Sweet Soul“ finde ich persönlich es übrigens nicht mal unbedingt so sehr nötig, die Vorbände gelesen zu haben; ich meine, diesen Roman könnte man auch noch ganz gut ohne Vorkenntnisse der übrigen Romane verstehen, wenn ich doch auch empfehlen würde, die komplette Serie zu lesen! (Die finde ich alles in Allem übrigens toll!)
Grade Levis Gang-Vergangenheit und damit auch die Carillo-Familienhistorie wird hier nur partiell angeschnitten und wer die vorherigen Bände nicht kennt, muss hier ein wenig zwischen den Zeilen lesen und findet es vielleicht auch irritierend, dass dieser Teil aus Levis Leben hier nur marginal angeschnitten wird.
Das fand auch ich in diesem Fall in diesem Fall ein wenig auffällig, da Elsie immerhin mit der Geschichte der Carillos gar nicht vertraut wahr und beispielsweise den Anblick einer Statue, die Levis grosser Bruder Axel angefertigt hatte, und die ihn hinter dem eine Waffe haltenden kindlichen Levi stehend zeigte, mit keinen weiteren Nachfragen quittierte.
Die Erwähnung, dass Axel einige Jahre inhaftiert gewesen war, schien sie auch eher als Belanglosigkeit aufzunehmen. Dies erschien mir doch irgendwie komisch.

Ohnehin fand ich, dass Levi in dieser Geschichte nun reichlich kurz kam; Elsie stand klar mehr im Fokus: Klar, Levis Leben hatte sich über die vorherigen Bände hinweg schon deutlichst verändert, er stand quasi bereits auf der Sonnenseite des Lebens, während Elsie noch viel mehr mit ihren Schatten zu kämpfen hatte. Eh konzentrierten sich auch die sonstigen Bände der Reihe, abgesehen von „Sweet Rome“, auf die jeweilige weibliche Hauptfigur.
Zwar wird auch „Sweet Soul“ nun abwechselnd aus den Perspektiven Elsies und Levis erzählt, aber hier fand ich Elsie auch klar präsenter; dazu beigetragen hat sicherlich auch der Fakt, dass sich Levis Gedanken ebenfalls ständig um Elsie kreisten.

In erster Linie spiegelt „Sweet Soul“ die Angst eines Mobbingopfers wieder, dass sich schämt so zu sein wie es eigentlich ist; ich fand das sehr authentisch und habe es vor Allem gemocht, dass hier eine definitive Behinderung dargestellt wurde: Mich ärgert es immer, wenn in Romanen mit solcher Thematik das Dieses oder Jenes, weswegen den Betroffenen übelst mitgespielt wird, einfach aus der Welt geschafft wird und somit plötzlich alles gut sein soll. (Ihr kennt das: die Dicke, die dann mal eben 30 Kilo abnimmt; die Brillenträgerin, die dann nur noch Kontaktlinsen trägt, das Mädel, das sich nach jahrelangem Sparen die krumme Nase richten lässt…)
In diesem Fall blieb Elsie auf einem Ohr definitiv taub und auch das andere Ohr erreichte mit Hilfsmitteln nie ein hundertprozentiges Hörvermögen; also: Man liess ihr nicht einfach ein Cochlear-Implantat einsetzen und sie fortan Ohren wie ein Luchs (und eine Stimme wie Whitney Houston) haben, sondern man versuchte ihr aufzuzeigen, dass sie nicht weniger wert sei als Andere und sich auch absolut nicht zu verstecken bräuchte. Es ging also um den Umgang mit persönlichen Angriffen, die immer wieder erfolgen würden können, und persönlicher Stärke.
Wie gesagt: Ich mochte diese Unveränderlichkeit des Mobbinggrundes und die damit verbundene Änderung in Elsies Persönlichkeit und Verhalten.

Eingangs ist Elsie übrigens wirklich am Ende ihrer Kräfte angelangt, nicht nur physisch, sondern insbesondere auch psychisch: Ich würde diesen Roman daher niemandem empfehlen, der akut unter depressiven Verstimmungen leidet, denn Elsies Geschichte und grad ihre Selbstwahrnehmung zu Beginn ist extrem traurig; ich kann mir vorstellen, dass diese einen noch mehr hinunterziehen könnte.
Ansonsten kann die Figur der Elsie Gemobbten aber durchaus ein Trost sein und zeigen, dass es auch immer die Menschen gibt, denen die eigenen „Unzulänglichkeiten“ völlig egal sind (Levi hört beispielsweise ihre Behinderung gar nicht aus ihrer Stimme heraus) und dass man sich auf diese und das Positive konzentrieren soll. Dabei bleibt aber nicht unerwähnt, dass auch Elsie immer mal wieder in diese Opferrolle hineinfällt; sie lernt letztlich lediglich, mit den Gemeinheiten (denn auch sie wird wieder auf Idioten treffen, die über ihre Art zu sprechen herziehen) umzugehen.

„Sweet Soul“ ist ein sehr ruhiger Roman; stellenweise war er mir schon ein wenig zu ruhig und sowohl Levi als auch Elsie waren einfach so unfassbar lieb, dass es hier kein echtes äusseres Konfliktpotential gab und die Handlung sich, wie der Romantitel schon andeutet, tatsächlich fast ausschliesslich auf das Seelische beschränkt; persönlich hätte ich mir ja doch ein wenig mehr Action gewünscht, so war der Roman aber einfach nur rührend-schön. (Die vorherigen Carillo-Bücher empfand ich da doch als klar kantiger.)
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Tillie Cole: „Sweet Soul“ – ein würdiger, zwar von Traurigkeit geprägter, aber doch auch optimistischer Abschluss der „Sweet Home“- bzw. „Carillo Brothers“-Reihe!
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„Sweet Soul“ von Tillie Cole, erschienen am 15.12.2015
Amazon: Kindle eBook (2,99€)*

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