Donnerstag, 29. September 2016

Jack Jordan: "My Girl"

Mit Anfang 40 ist Paige Dawson bereits Witwe: Ihr Ehemann Ryan hatte sich das Leben genommen, letztlich offensichtlich an der Ermordung der gemeinsamen Tochter zerbrochen.
Die 14jährige Chloe war dereinst, zehn Jahre zuvor, auf dem Heimweg von der Schule spurlos verschwunden; von ihr im wahrsten Sinne des Wortes im nächsten Fluss aufgetaucht ist lediglich ein Unterarm, den ihr Entführer ihr gerichtsmedizinischen Untersuchungen zufolge entfernt haben muss, als sie noch lebte. Weitere Körperteile sind bis heute nicht gefunden worden; offensichtlich hat die Strömung Chloes Leiche weiterhin in ein tiefes Flussgrab gerissen.
Das Verbrechen gilt nach wie vor als ungeklärt …

Auch Paige ist am Ende, sowohl seelisch als auch körperlich: Sie ist zur tablettenabhängigen Alkoholikerin geworden und wird während ihrer Blackouts regelmässig von der Polizei aufgegriffen.
Paige kann sich auch nicht daran erinnern, die Sachen Chloes oder Ryans ausgeräumt zu haben, muss aber einräumen, dass sie zum entsprechenden Zeitpunkt nicht nüchtern war: Sie ist überzeugt davon, eine weitere Person müsse ihr ihre Erinnerungsstücke nehmen wollen, denn sie selbst würde sich freiwillig niemals von diesen Sachen getrennt haben?! Doch nicht nur die Polizei, sondern auch ihr Vater, ihr Bruder und die Schwiegereltern glauben, dass es Paige selbst ist, die ihre Trauer im weggetretenen Zustand völlig auslebt und dass Paiges Rauschzustände ihre Wut über die erlittenen Verluste ausser Kontrolle geraten lassen...

Aber trotz ihrer extremen Erinnerungslücken ist Paige sicher, dass sie niemals so gewütet hätte; für sie irritierend auch, dass sie jüngst in Ryans Büro eine Knarre gefunden hat, obschon Ryan sich doch immer vehement gegen Waffenbesitz ausgesprochen hat. Warum also hatte eine Pistole versteckt gehalten? Seinen Suizid hatte er auf andere Weise begangen …

Sicher ist nur, dass Paige bald wieder zu klaren Sinnen kommen muss. Sonst wird sie ihrer Familie schon bald in den Tod folgen …

Jack Jordan: „My Girl“


Dieser Roman war definitiv ein Zufallstreffer voll ins Schwarze: Anfang des Monats wurde das eBook kurzzeitig kostenlos angeboten und die Kurzbeschreibung klang für mich nach Spannung, Drama und Psychothrill, so dass ich da eBook kurzerhand bezogen habe.
Ganz kurz schonmal vorweg: Wer wie ich vor rund drei Wochen auch über diesen Roman gestolpert ist und die Gratis-Aktion ebenso zum spontanen Bezug des eBooks genutzt hat, hat damit, wie ich finde, einen absolut lesenswerten Glücksgriff getan. Aber auch den regulären Preis von 2,99€ zu löhnen ist in diesem Fall bestimmt keine Fehlinvestition; zudem lässt sich „My Girl“ zumindest aktuell auch via KindleUnlimited lesen.

In der Kurzbeschreibung findet sich gegenwärtig der Satz: „But she has no idea who she is up against, or that her life isn’t hers to gamble – she belongs to me.” und deutet bereits darauf hin, dass Paige tatsächlich verfolgt wird. Im Verlaufe der Geschichte, die man erzähltechnisch sehr nah bei Paige verbringt, ist dieser Umstand aber absolut fraglich: In erster Linie wirkt Paige hier wie eine total gebrochene Frau, die längst die Kontrolle über sich völlig verloren hat. Sie wird da doch als Süchtige dargestellt, die nur noch verbittert vor sich hin existiert und ja, das kann man absolut verstehen angesichts der Historie ihrer eigenen Familie. Die verschwundene jugendliche Tochter, von der man lediglich einen ihr abgehackten und angespült wordenden Arm begraben konnte, der den offensichtlichen Freitod gewählt habenden Mann: definitiv nicht der Stoff, aus dem das grosse Glück gewebt ist.
Angesichts ihrer Alkoholexzesse und der fraglos vorhandenen Medikamentensucht scheint es also alles Andere als unwahrscheinlich zu sein, dass Paige paranoide Züge entwickelt hat, vielleicht auch gar schon eine gespaltene Persönlichkeit, die sie ihre Eskapaden im nüchternen Zustand einfach gar nicht mehr in Erinnerung rufen lässt.

Geärgert habe ich mich in diesem Zusammenhang allerdings darüber, wie ihr Umfeld mit ihr umgegangen ist und wie auch das Auftreten der Polizei ihr gegenüber war: Teils gefährdete sie nicht nur sich selbst, aber mit Paiges Vergangenheit konfrontiert liess man sie doch immer wieder von dannen ziehen, wo sie zweifelsohne in eine Klinik eingewiesen gehört hätte. Ihr Bruder stellte regelmässig die Kaution für Paige und ermahnte sie lediglich wiederholt, dass sie endlich wieder klar werden müsse.
Ich habe einfach nicht nachvollziehen können, dass Paige hier nicht einfach kurzerhand zwangseingewiesen wurde, zumal ohnehin schon offizielle Stellen über ihre Ausraster in Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum Bescheid wussten, und sie eben teils auch Unbeteiligte anging; das hatte insbesondere an einer Stelle viel zu sehr etwas von „den Kriminellen einfach wieder laufen lassen“.

Insgesamt habe ich „My Girl“ eher als Psychodrama und weniger als Thriller empfunden; dazu beigetragen hat sicherlich der Fakt, dass sich die Geschichte eingangs so direkt auf Paiges offensichtliche, in ihrem Innern ausgefochtenen Kämpfe konzentrierte und die Handlung zunächst eher vage blieb, ob hier tatsächlich eine weitere Person involviert war, die Paige tatsächlich anging.
Erst nach ca. zwei Dritteln kommt der Thriller deutlicher zum Vorschein – und überraschte mich durchaus. Hier wird übrigens Chloes Schicksal auch geklärt und es lassen sich Parallelen zu relativ aktuellen Bestsellern bzw. auch zu jüngst bekanntgewordenen „spektakulären“ Verbrechen erkennen, die ich an dieser Stelle aber nicht näher benennen will, da der Spoiler zu enorm wäre. ;) Aber wer eher sensibel ist, so dass er nicht von „sowas Schlimmes in einem Roman lesen mag, von dem man letztens schon so viel in der Zeitung lesen konnte“, der sollte sich Jordans Roman also allenfalls zaghaft annähern; ich weise an dieser Stelle nochmals daraufhin, dass von Anfang an bekannt ist, dass Chloe noch gelebt hatte, als ihr der Arm entfernt wurde und man somit von vornherein darauf eingestellt sein muss, dass ihr etwas richtig, richtig Übles angetan wurde.

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Jack Jordan: „My Girl“ – habe ich letztlich als echt gute und absolut kurzweilige Spannungslektüre empfunden!
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„My Girl“ von Jack Jordan, erschienen am 04.07.2016
Amazon: Kindle eBook (2,99€)* [gegenwärtig auch via KindleUnlimited verfügbar] / Taschenbuch (8,55€ [248 Seiten])*

1 Kommentar:

  1. Hey! Deine Rezension klingt interessant, gerade weil mir der Autor Jack Jordan bisher vollkommen unbekannt ist. Ich werde aber demnächst mal die Augen nach ihm offen halten :)
    Liebe Grüße
    Svenja (www.pantaubooks.wordpress.com)

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