Dienstag, 16. Februar 2016

Jodi McIsaak: "A Cure for Madness"

Claire hat längst Abstand zwischen sich und ihrer Familie in der alten Clarkeston’schen Heimat geschaffen, in die sie am Liebsten nie mehr zurückkehren würde.
Doch als ihre Eltern scheinbar grundlos von einem Bekannten ermordet werden, ist sie gezwungen, nach Clarkeston zu reisen, um sich um die Beerdigung zu kümmern, die sonstigen notwendigen Formalitäten zu erledigen und sich insbesondere ihres nur ein Jahr älteren Bruders Wes anzunehmen, der just in diesen Tagen aus der Psychiatrie entlassen wird: Wes leidet an paranoider Schizophrenie und nach dem Tod der Eltern ist Claire als sein gesetzlicher Vormund vorgesehen.

Eigentlich hat Claire nichts weiter vor, als sich zu vergewissern, dass Wes medikamentös gut eingestellt ist und er tatsächlich alleine die von den Eltern für ihn besorgte Wohnung beziehen kann; immerhin gibt es dort auch noch ihren Onkel Rob, der ein Auge auf Rob haben würde.
Doch Claires Ankunft in Clarkeston wird von einer sich dort mehr und mehr ausbreitenden Seuche überschattet, die die Befallenen völlig durchdrehen lässt: In Folge verhalten sie sich quasi wie Wes während seiner schlimmsten Anfälle, wenn er seine Medikamente nicht wie vorgesehen eingenommen hat. Nein, eigentlich werden sie unumkehrbar sogar noch unberechenbarer.
Im ganzen so entstandenen Trubel schert sich kaum wer um ein ordentliches Entlassungsgespräch, stattdessen bekommt Claire die Papiere in die Hand gedrückt und Wes an die Seite gestellt, doch Claire hat die Klinik mit Wes zusammen noch nicht allzu lange verlassen, als sich Regierungsmitarbeiter zu erkennen geben: Wes sei fälschlicherweise entlassen worden, er würde zur Bekämpfung der sich ausbreitenden Krankheit gebraucht.
Aber Claire kann reguläre Entlassungspapiere vorzeigen, beweisen, dass sie Wes offizieller Vormund ist und Wes will alles ausser zurück in die Klinik, wo er einen Mitpatienten erlebt hätte, der ihm erzählt habe, er habe ausserhalb Clarkestons an einem streng geheimen Regierungsprojekt gearbeitet, das fürchterlich schiefgegangen sei. Wes war ohnehin diversesten Verschwörungstheorien schon immer sehr zugetan und hey, der angebliche Wissenschaftler und er waren zwar in der Psychiatrie … doch all die kleinen Puzzleteilchen, die vor ihr liegen, lassen Claire mehr und mehr überlegen, ob die Regierung nicht doch tatsächlich in der unmittelbaren Nähe mit Keimen, Viren, Erregern etc. hantiert und versehentlich ein „Durchdrehvirus“ in Umlauf gebracht hat.

Schon bald heisst es, dies sei eine Frage der nationalen Sicherheit und Claires Vormundschaft gegenüber dem Willen der Regierung gar nichts wert: Wieso denkt man an den obersten Stellen nur, der kranke Wes trage das Geheimnis eines Heilmittels in sich?!
Und soll Claire ihn, der ihr allmählich erst wieder zu vertrauen beginnt, tatsächlich gegen seinen Willen „ausliefern“? Claire entscheidet sich zugunsten der gemeinsamen Flucht, aber was, wenn Wes tatsächlich der Einzige ist, der helfen kann, diesen ganzen Irrsinn zu beenden, ehe er sich bis in alle Welt hinaus ausbreitet? …

Jodi McIsaak: „A Cure for Madness“°°°  


Bei diesem Roman handelt es sich um ein Thrillerdrama bzw. ein Drama mit stark ausgeprägten Thrillerelementen: Als mir die Möglichkeit, ein Reziexemplar zu beziehen, offen stand, habe ich zunächst gezögert, denn die in der Kurzbeschreibung geschilderte Seuche in Zusammenhang mit der Regierungsbeteiligung klang in meinen Ohren zunächst doch stark nach politischem Wissenschaftsthriller  und das sind generell Bücher, die mich eher verschrecken als interessieren. Mit Regierungskomplotten und abstrusen Verschwörungswirren habe ich es da nicht so sehr.

Aber der folgende Abschlusssatz der Buchbeschreibung
Clare must make a horrifying decision: save her brother or save the world.
liess mich das Rezensionsexemplar dann doch sehr bald annehmen, weil mich dieser Entscheidungsspagat arg interessierte, denn, wer meinen damaligen Beitrag im Rahmen des Adventskalenders bei Influenza Bookosa gelesen hat, der weiss längst, dass es quasi nichts gibt, was ich nicht für meinen Bruder tun würde. Ich denke, sehr viele von uns werden zumindest diesen einen Mensch im Kopf und Herzen haben, für den sie ohne zu zögern in ein einsturzgefährdetes, brennendes Haus rennen würden, um ihn herauszuschleifen, auch dann noch, wenn die professionellen Rettungskräfte wegen des enormen Eigenrisikos selbst nicht mehr hinein dürfen. Aber wie schnell ist man zum Vertrauensbruch/Verrat bereit, wenn es um ein richtig grosses Ganzes geht? Vornehmlich behandelt „A Cure for Madness“, von Claire als Ich-Erzählerin berichtet, eben von exakt diesem moralischen Dilemma, in welchem sie zunächst als Wes‘ Vormund die Entscheidungsgewalt hat.

Recht schnell wird innert der Geschichte klar, dass tatsächlich der Weg zur Ausrottung des sich wie Grippe, allerdings noch rapider und in weitaus höherem Grade, ausbreitenden Gaspereau benannten Virus über Wes führt: Doch von offizieller Seite wird das Ausmass der Erkrankung weiter heruntergespielt, obschon nahezu komplett Clarkeston durchgedreht ist, hier längst der Notstand ausgerufen werden musste und bei dem, was nicht gesagt wird, wie soll man da darauf vertrauen, dass es tatsächlich keinen anderen Ausweg als Wes gibt? Zumal auch niemand erklären will, auf welche Weise Wes hier behilflich sein sollte, der sich nur durch seine Schizophrenie zu qualifizieren scheint, aber eben kein wissenschaftliches Genie und nichtmals ausgebildeter Mediziner oder Forscher oder Ähnliches ist, so dass das Ganze von vornherein einen Hauch Menschenversuch, wenn nicht gar Menschenopfer, mit sich trägt. Sollte(n) Claire (und Wes) hier also zunächst überhaupt riskieren, nur ein aufklärendes Gespräch zu suchen?  

Mich hat die gesamte Geschichte sehr schnell gefangengenommen, auch wenn ich zumindest eingangs Claire eher skeptisch gegenüberstand, da sie zunächst doch sehr kühl gegenüber ihrer Familie und Clarkeston im Allgemeinen wirkte  bzw. sehr desinteressiert auftrat.
Von ihrer Familie schien sie schon so weit distanziert zu sein, dass die Ermordung der Eltern zunächst für sie eher ein lästiges Übel zu sein schien, welches nur Arbeit mit sich brachte und ihre Verantwortung gegenüber Wes wollte sie wohl eher nur insofern annehmen als dass sie ihn vom Spital in seine eigene, neue Wohnung brachte. Dies war übrigens auch ein Aspekt, der mich vollends verwirrt hat: Medikamentös gut eingestellt schien Wes zwar tatsächlich auf eigenen Füssen stehen zu können, aber ich fand es dennoch merkwürdig, dass es okay sein sollte, wenn sein offizieller Vormund quasi doch nur auf dem Papier bestehend, weil völlig woanders wohnend, sein sollte. Dieser Punkt hat mich doch sehr gestört; da hätte ich lieber gesehen, dass der vor Ort wohnende Onkel ganz offiziell die „Aufsicht“ übernommen hätte, wenn Claire so weit weg war, zumal sich später in der Handlung zeigte, wie schnell und wie extrem Wes‘ Anfälle waren, wenn er seine Tabletten nur einmal nicht genommen hatte.

Ansonsten ist mir aufgefallen, dass die Figuren hier prinzipiell zwar allesamt bereits erwachsen waren, sich die Geschichte aber trotzdem eher wie ein Jugendroman lesen liess. Auf mich wirkte Claire einfach nicht so erwachsen und weltgewandt, wie sie jedoch geschildert wurde, obschon hier zum Ende hin doch eine unglaubliche Reflexion und Durchdachtheit zeigte, als Claire einen fixen Entschluss traf, der mich übrigens ein wenig überraschte, obschon zwischen den Zeilen latent durchgeklungen war, wie die gesamte Handlung enden würde. Aber zuvor hätte ich Claire diese Entscheidung einfach gar nicht zugetraut, so dass ich durchaus behaupten kann, hier eine Charakterentwicklung festgestellt zu haben.

Der Hintergrund des Gasperau-Erregers wurde später ebenfalls schlüssig und gradlinig aufgedröselt, leicht verständlich, das grosse verworrene Komplottkonstrukt blieb also aus. Zwar gab es hier tatsächlich eine politische Basis, aber als Politthriller würde ich „A Cure for Madness“ definitiv nicht bezeichnen wollen; da bleibe ich doch lieber bei „(Familien)Drama mit Thrillerelementen (vor medizinischem Hintergrund)“.

Die Zielgruppe würde ich hier alle von 16 an aufwärts ansehen; also ein typisches Frauenbuch ist es definitiv nicht! ;)
Wer sich allerdings sorgt, ob seine Englischkenntnisse ausreichend sind, um eine Handlung nachvollziehen zu können, die ja eigentlich doch Medizinisches fokussiert, den meine ich beruhigen zu können: Zumindest mir sind keine schwerverständlichen Fachbegriffe aufgefallen; spätestens mit auch leidlichen Oberstufen-Englischkenntnissen sollte sich „A Cure for Madness“ meines Erachtens sehr flüssig lesen lassen, ohne dass man ständig Wörter nachschlagen müsste. Eigentlich auch ein sehr spannender Roman, um seinen blassgewordenen Englischkenntnissen mal wieder etwas Farbe zu verleihen, glaube ich.

Weiterhin werde ich wohl mal mit meinem Bruder besprechen, in welchen Fällen er sich lieber opfern lassen würde … und wer wissen will, ob Claire Wes den Behörden ausgeliefert hat (und wenn ja: ob Wes tatsächlich helfen konnte, das Virus zu besiegen) oder die gesamte Erdbevölkerung schliesslich dystopisch durchgeknallt war, tja, der muss dann eben diesen Roman lesen, den ich wirklich sehr gerne weiterempfehle!
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Jodi McIsaak: „A Cure for Madness“ – 2016 bislang mein definitives Lesehighlight!
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“A Cure for Madness” von Jodi McIsaak, 
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Thalia CH: Taschenbuch (CHF 17,90)*

1 Kommentar:

  1. Huhu!

    Das klingt unheimlich interessant, das muss unbedingt auf die Wunschliste... Ich lese ja sehr gerne auf englisch. :-)

    LG,
    Mikka

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