Mittwoch, 7. September 2016

Marnie St Clair: "Blue Steal"

Die 26jährige Selina Migliore lebt mit ihrer jüngeren Schwester Anna und ihrer mit fortschreitender Demenz kämpfender Grossmutter zusammen in einem vorstädtischen Arbeiterbezirk Sydneys; Selina tritt hier als Familienoberhaupt auf, das darum kämpft, die Familie durchzubringen. Zudem leidet die 16jährige Anna an einer schweren Erkrankung, die mit ausgeprägten Muskelspasmen daherkommt: Eine neue Operationsmethode verspricht Linderung, fordert aber auch einen starken finanziellen Einsatz, den sich die Migliores nicht leisten können.
Als das „Empire“, eines der ältesten Luxushotels des Landes, zu Gunsten eines Neubaus abgerissen werden soll, kommt bei den ersten Abbrucharbeiten ein wertvoller Ring zum Vorschein, der vor Jahrzehnten bei einem Raubüberfall, bei welchem einer der Hotelierssöhne erschossen wurde, erbeutet worden sein soll und seither zusammen mit einem zugehörigen Saphircollier, als die der gleichnamigen Familie gehörenden „Petrovsky-Juwelen“  bekannt, verschwunden war.

Selinas Grossmutter Maria, die als junges Mädchen im „Empire“ als Zimmermädchen gearbeitet hatte, hat ihrer Familie gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mit dem getöteten Sohn der Hoteliersfamilie angebändelt hatte und von diesem gar schwanger wurde: Der tote Andrew Holloway ist der Grossvater von Selina und Anna.
In der Nacht seiner Ermordung hatten die Beiden zusammen durchbrennen wollen; den Ring der Petrovskys hatte Andrew gestohlen und Maria als „Verlobungsgeschenk“ überreicht, welche den Ring angesichts der späteren Geschehnisse in dieser Nacht panisch im Hotelgebäude versteckt hatte – wo er bis zu seinem jetzigen Auftauchen unbemerkt verblieben war.
Maria ist sicher, dass Andrew auch das zugehörige Collier genommen hatte, als „Grundstück“ für ihr künftiges gemeinsames Leben und, da dieses nach seinem Tod weiter verschwunden blieb, von ihm ebenfalls im Hotel versteckt worden sein müsse, wo es bei den Abrissarbeiten zweifelsohne auch auftauchen würde.

Selina bucht sich für die letzte Woche des noch laufenden Betriebs vor dem endgültigen Abriss ins „Empire“ ein, denn wenn sie das Collier in einem der typischen Verstecke von Maria und Andrew auffinden kann,  kann sie mit dem Erlös eines Schwarzmarktverkaufs die medizinische Behandlung ihrer Schwester finanzieren.

Im Hotel stösst sie sogleich mit dem charismatischen Jack zusammen: Jack ist für die Detektei de Crespigny tätig, die nach dem Fund des wertvollen Rings von der Familie Petrovsky beauftragt worden ist, im Hotel auch nach dem Verbleib des zugehörigen Colliers zu forschen – und dieses hoffentlich ebenfalls noch immer dort vorzufinden … und so kreuzen sich zwei Leben von Menschen, die dasselbe Ziel aus völlig unterschiedlichen Beweggründen verfolgen, quasi die der potentiellen Diebin und des Detektivs, und je länger die Beiden nahezu um die Wette nach dem Collier suchen, desto dubioser erscheint die Nacht des Überfalls und Andrews Tods…

Marnie St Clair: „Blue Steal“°°°


Durch den Nachsatz im eBook habe ich erfahren, dass es sich bei “Blue Steal” um den ersten Band der “de Crespigny”-Serie handeln soll: Band für Band sollen hier, wie es durchklang, die einzelnen Mitarbeiter der Detektei beruflich und privat „verfolgt“ werden und sich unerwartet in amourösen Verstrickungen wiederfinden. Somit werden die Bände wohl alle eigenständig lesbar sein und nach dem Lesen von „Blue Steal“ war ich auch ein wenig verwundert, dass hiermit eine Detektiv-Reihe ihren Anfang genommen haben soll: Denn in „Blue Steal“ habe ich eindeutig Selina als federführende Hauptfigur empfunden; Jack ist zwar gleich von Anbeginn der Geschichte mit von der Partie, wird da aber eher als äusserst charmanter und vr Allem auch selbstsicherer Gegenspieler Selinas eingeführt.
Es kommt zwar schon bald zu einer „Kooperation“ zwischen den Beiden, in deren Verlauf Jack eben als männlicher Protagonist etabliert wird und dass sich Beide sehr voneinander angezogen fühlen, ist auch offensichtlich, aber die Geschichte fokussiert sich doch sehr hinsichtlich der gesuchten Juwelen. Ich hatte absolut nicht das Gefühl, eine klare Liebesgeschichte zu lesen; dazu standen Selina und Jack von Anfang an auch auf absolut konträren Seiten und es blieb auch so, dass jeder die Saphirkette quasi für sich, in Jacks Fall also für die Familie Petrovsky, finden wollte. Es schien mehr als unwahrscheinlich, dass Jack Selina, sollte diese das Collier zuerst entdecken, mit jenem einfach von dannen ziehen lassen würde. Ebenso würde es hier sicherlich nicht zwecks eines illegalen Verkaufs überlassen, entdeckte er es vor ihr, anstatt es seinen Auftraggebern zu überreichen. Selina stand hier zweifelsohne unter dem Druck, das Collier möglichst unbemerkt vom neben ihr arbeitenden Jack finden zu müssen, um das Hotel mit dem Schmuck verlassen zu können.

„Blue Steal“ beginnt übrigens in dem Moment, in dem Selina im „Empire“ eincheckt: Es gibt also keine Aufwärmphase der Geschichte und man wird direkt mit dem Fakt konfrontiert, dass Selina das Auffinden und das Stehlen eines auffälligen Colliers im Sinn hat, welches in Verbindung mit ihrer Familie steht. Dabei wird gar kein Hehl daraus gemacht, dass hier eine Straftat im Raum steht, aber man weiss zunächst weder, wie böse Selina ist, wie viel Hinterlist in diesem Vorhaben steckt und man hat auch keine Ahnung, wie erfahren Selina als Diebin ist. Ebenso unklar ist zunächst, wie seriös Jack arbeitet, auch wenn hier kaum ein Zweifel daran bestehen bleiben dürfte, dass er ein Vollprofi ist.
Es ist also schwer einzuschätzen, wer gut und wer böse ist oder man die Figuren hier überhaupt so klassifizieren kann; wer Geschichten in definiertem Schwarz/Weiss mag, für den ist „Blue Steal“ von daher gänzlich ungeeignet.

Ich weiss auch nicht, ob das am Setting der Handlung lag, die sich zum allergrössten Teil innerhalb der Mauern des altehrwürdigen Hotels abspielte, oder mitunter auch daran, dass hier alles mit einem sich vor Jahrzehnten zugetragen habenden Verbreche zusammenhing: Aber der gesamte Roman verströmte für mich ein 50er-Jahre-Hollywoodflair; zum Ende hin fand ich, grad die Darstellung von Selina als eigentliche Erbin der Holloway-Familie, ein wenig zu opulent, zu plötzlich ausufernd. Für mich war das ein bisschen zu sehr Spektakel. Wer ganz grosse Drama-Momente und effektvolle Showdowns liebt, wird hier hingegen bestens bedient! ;)

Persönlich kam ich ja auch nicht umhin, ständig an den Film „Verlockende Falle“ mit Catherine Zeta-Jones als fingierte Diebin zu denken, auch wenn „Blue Steal“ eine völlig andere Geschichte erzählt. Aber auch, dass Selina ständig eine kurvige Monica-Bellucci-Optik zugesprochen wurde, trug sicherlich dazu bei, meinen hollywoodesken Eindruck noch zu verstärken.

Die Erzählung, was sich in Andrews Todesnacht zugetragen haben sollte, lieferte zunächst nur tröpfchenweise Einblick: Selina verliess sich auf die Aussagen der Nonna, die aufgrund deren Demenz skeptisch zu betrachten waren. Letztlich wusste man gar nicht sicher, ob es überhaupt ein verstecktes Collier im Hotel geben würde; auch die Umstände der damaligen Nacht muteten gleich verworren an: Es schien immerhin, als hätten Andrew und Maria sich in jener Nacht gemeinsam absetzen wollen, in der zufälligerweise ein Überfall auf das Hotel stattfand, so dass ohnehin nicht sichergestellt war, ob die damaligen Räuber mit dem Collier hatten entkommen können. Dass Andrew das Collier zuvor bereits hätte verstecken können sollen, passte nicht so ganz in den logischen Ablauf des Überfalls: Letztlich wurde zwar der Verlauf der damaligen Nacht rekonstruiert und das alles geklärt, aber beim Lesen hatte ich zunächst doch ein riesiges Fragezeichen über dem Kopf, wie Andrew Maria vom versteckten Collier in Kenntnis hätte setzen sollen, wenn diese beim Überfall gar nicht in der Nähe gewesen war und Andrew dabei getötet worden war?!
Da hatte ich auch das starke Gefühl, dass Selina sich nur so sehr auf die Aussage ihrer Oma verliess, dass Andrew das Collier sicher versteckt haben wollte und es auch noch im Gebäude sein müsse, weil das Collier die familiäre Finanzlage deutlich verbessern und eben Annas Operation zahlbar machen würde. Wären die Migliores nicht so sehr auf den höheren Geldbetrag angewiesen gewesen, würde ich Selina doch so einschätzen, dass sie die Behauptungen ihrer Nonna als seniles Geplapper abgetan haben würde.
Denn kompletten Sinn ergaben die Aussagen Marias eben nicht und da hatte ich dann teils auch Schwierigkeiten, an den Verbleib des Colliers im „Empire“ zu glauben.

Sehr gut gefallen hat mir die Paardynamik von Selina und Jack: Die Zwei waren quasi aus einem Holz geschnitzt, ergänzten sich fantastisch, aber ohne dabei miteinander zu verschmelzen. Da trafen schon zwei sehr eigensinnige Menschen aufeinander und auch wenn die Anziehungskraft zwischen den Beiden sogleich offensichtlich gewesen war, entwickelte sich eine Beziehung hier eher beiläufig; der Strang „Liebesgeschichte“ stand nie im Vordergrund und grade dieser Umstand reizt mich nun auch, künftig weitere Reihentitel zu lesen – und irgendwie war ja auch die ausgestrahlte 50er-Erinnerungs-Atmosphäre ziemlich charmant! ;)
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Marnie St Clair: „Blue Steal“ – eine undurchsichtige, aber schillernde Vergangenheit wurde hier hollywoodesk erforscht und bot mir, trotz kleinerer Meckerpunkte, doch recht grosses und gutes Lesekino
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„Blue Steal“ von Marnie St Clair, erschienen am 05.09.2016
Amazon: Kindle eBook (2,88€)*

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