Stephen King: „Finders Keepers“ („Mr. Mercedes”, Band 2)
1978: Morris Bellamy begeht mit zwei Komplizen, welche er anschliessend ebenfalls tötet, Raubmord am knapp 80jährigen Autoren John Rothstein, den er insbesondere aufgrund der von ihm verfassten Jimmy-Gold-Trilogie einst ikonisiert hat und nun verflucht, da er meint, Rothstein habe mit der Entwicklung des dritten Bandes Verrat an seinem Protagonisten begangen.
Beim Verbrechen erbeutet er neben einer nicht unbedeutenden Bargeldmenge auch bislang unveröffentlichte Notizen, Geschichten und Manuskripte Rothsteins, darunter ganz offensichtlich einen vierten Band der Gold-Saga. Doch als ihm klargemacht wird, wie verdammt heiss die Ware (noch) ist, versteckt er die Beute – und landet nur kurz darauf wegen eines anderen Verbrechens hinter Gittern.
2009: Beim Anschlag auf die City Center Job Fair (-> „Mr. Mercedes“*) wird der Familienvater Tom Sauber schwerverletzt, so dass seine Familie nun nicht nur weiterhin auf das alleinige Einkommen seiner Ehefrau Linda angewiesen ist, sondern durch die Behandlungskosten finanziell noch stärker gefordert ist.
Die Belastung wiegt schwer und lässt das Ehepaar immer weiter auseinanderdriften, als der 13jährige Sohn Peter im darauffolgenden Jahr zufällig über Bellamys Beuteversteck stolpert, woraufhin er sich entschliesst, den anonymen Unterstützer zu spielen: seinen Fund verheimlicht er und schickt der Familie künftig monatlich ein paar Hundert Dollar, bis das Bargeld nach wenigen Jahren verbraucht ist.
Als seine kleine Schwester Tina zu jenem Zeitpunkt wie ihre Freundinnen eine weiterführende Privatschule besuchen will, müssen ihre, finanziell noch auf wackligen Beinen stehenden, Eltern dieses Ansinnen jedoch zurückweisen. Doch Pete, der inzwischen herausgefunden hat, dass die Notizbücher, die er zusammen mit dem Geld gefunden hat, unbekanntes Rothstein-Material enthalten, einschliesslich nicht nur einer, sondern sogar zwei Jimmy-Gold-Fortsetzungen, will seiner Schwester jenen Schulbesuch ermöglichen. Er beschliesst, den Rothstein-Stoff zu verkaufen und wendet sich deswegen an den Händler Andrew Halliday, von dem nicht nur bekannt ist, dass er zahlreiche Kontakte zu privaten Sammlern unterhält, sondern der sich auch nicht unbedingt immer um die Besitzverhältnisse der von ihm verkauften Werke scheren soll.
Allerdings ist Andy zum Einen der eine, einzige Mensch, der über Morris Bellamys Verbrechen Bescheid weiss. Zum Anderen wird Morris‘ Antrag auf Haftentlassung endlich stattgegeben und nachdem er auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wird, will er natürlich nur noch eines: seine Beute aus ihrem Versteck befreien. […]
„Finders Keepers“ ist der direkte Nachfolger von „Mr. Mercedes“: Um den pensionierten und jetzt als Privatermittler tätigen Ex-Polizisten Bill Hodges, der in „Mr. Mercedes“ seinen ersten Auftritt hatte, soll letztlich eine Trilogie entstehen. Somit fehlt nun noch ein Roman, wobei ich aktuell durchaus zu hoffen wage, dass King es John Rothstein gleichtut und doch noch weitere Hodges-Krimis schreibt, die er allerdings dann bitte auch zeitig publizieren und nicht wortlos im Tresor vergraben sollte.
Denn ich fand „Finders Keepers“ noch deutlich gelungener als „Mr Mercedes“, wobei mir jener Roman prinzipiell zwar auch gut gefallen hat, mir sein zweites Viertel aber zu zäh erschienen war.
„Finders Keepers“ ist wie „Mr Mercedes“ prinzipiell auch eigenständig zu lesen, ist doch auch diese Geschichte in sich abgeschlossen. Ich empfehle aber dennoch, „Finders Keepers“ nicht ohne Kenntnis von „Mr Mercedes“ zu lesen: Nicht nur, dass auch der aus „Mr Mercedes“ bekannte Bösewicht in einigen Szenen Erwähnung findet, sondern dass sich „Finders Keepers“ sehr stark auf die Geschichten Petes und Morris‘ konzentriert, während man Bill Hodges und sein aus Holly und Jerome bestehendes Team in „Mr Mercedes“ kennengelernt hat und der Fokus dort eben auch sehr stark auf diesen drei Figuren lag, die in „Finders Keepers“ nun erst im zweiten Teil in Erscheinung treten und deren Ermittlungen hier eher hintergründig verlaufen.
Wer allerdings damit leben kann, die Ermittler nicht weiter zu kennen … ;)
Vor ein paar Tagen habe ich auf einer amerikanischen website (die ich hätte bookmarken sollen, da ich sie nu nicht wiederfinde) gelesen, dass Stephen King gesagt haben soll, hätte man „Misery“* gelesen, kenne man auch „Finders Keepers“ bereits.
Persönlich zweifle ich dieses Zitat an, denn die einzige gemeinsame Schnittstelle liegt für mich hier in der Besessenheit bzgl. des fiktiven Charakters, die in „Finders Keepers“ nun insbesondere Moris Bellamy, in Grundzügen später aber auch Pete Sauber, an den Tag legt, welche man bereits bei Annie Wilkes in „Misery“ erleben durfte. Dabei empfand ich „Finders Keepers“ in dieser Hinsicht noch deutlich weicher, was sicherlich mitunter daran liegt, dass in „Finders Keepers“ der Autor gleich kaltblütig niedergestreckt wird, so dass abstossende Folterszenarien ausbleiben.
Vom Spannungsverlauf erinnerte mich „Finders Keepers“ da weitaus eher an „Dolores Claiborne“, aber ob mit „Mr Mercedes“, „Misery“ oder „Dolores Claiborne“* verglichen: Generell handelt es sich also auch bei „Finders Keepers“ um einen Krimi, ein Drama, einen Thriller. Mit den klassischen King-Horrorgeschichten ist „Finders Keepers“ kaum in Einklang zu bringen, auch wenn sich im Epilog eine gewisse „Carrie“*-Reminiszenz wiederfindet, die darauf schliessen lässt, dass im nächsten Teil der kriminologische King und der paranormale King (wieder)vereint werden könnten.
„Finders Keepers“ empfand ich durch und durch als gelungen, bei dieser Lektüre habe ich mich an keiner Stelle gelangweilt, obschon von Anfang an alle Karten klar auf dem Tisch lagen: Man weiss, wer was getan hat und sowieso; das Einzige, was man nicht weiss, ist, wie „Finders Keepers“ letztlich ausgehen wird. Aber einen „Ach, mir doch egal; ich kuck jetzt einfach mal auf’s Ende und gut ist!“-Moment habe ich dennoch absolut nicht erlebt, in diesem Fall wollte ich wissen, wie die exakte Handlung verläuft, auch wenn mich die Geschichte nicht so dermassen gefesselt hätte, dass ich den Roman niemals aus der Hand hätte legen können. Als sich abends während des Lesens dann doch Müdigkeit einstellte, konnte ich „Finders Keepers“ durchaus gut zur Seite legen und am nächsten Tag ausgeschlafen weiterlesen. Unruhig geschlafen oder schlecht geträumt habe ich auch nicht; den Bösen aus „Mr Mercedes“ fand ich dann doch auch weit furchteinflössender als nun Morris Bellamy, der mir mehr als sich in etwas verrannt habender Fanboy und weniger Psychopath war, obschon ihm als Mehrfachmörder natürlich die Skrupellosigkeit ebenfalls kaum abzusprechen ist.
Insgesamt hat mir besonders die Fokussierung auf Morris und Pete sehr gut gefallen, denn so schön es auch war, das Hodges/Holly/Jerome-Trio in „Mr Mercedes“ ausführlich vorgestellt zu bekommen: An mancher Stelle waren mir die Drei dort doch auch gar schon zu überpräsent.
In „Finders Keepers“ empfand ich ihr Auftreten nun weitaus unaufdringlicher und ja, auch zielorientierter.
Ich bin sehr gespannt auf die nächste Hodges-Geschichte, insbesondere auch darauf, ob Stephen King in jenem Werk tatsächlich wieder mehr in Richtung von „Carrie“ und Konsorten geht. Zudem würde ich mir nach „Finders Keepers“ wie schon erwähnt wirklich wünschen, dass es nicht nur bei der geplanten Trilogie bleibt!
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Stephen King: „Finders Keepers“ – gefiel mir sehr gut!
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„Finders Keepers“ von Stephen King, erschienen am 02.06.2015
Amazon: Kindle eBook (14,99€)* / gebundenes Buch (19,99€ [448 Seiten])*
Thalia Schweiz: ePub (CHF 27,90)* / gebundenes Buch (CHF 29,90)*
„Finders Keepers“ erscheint unter dem Titel „Finderlohn“* am 08.09.2015 auch auf Deutsch.
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