Sonntag, 3. Juli 2016

Mette Bach: "Killer Drop"

Als eine Stufenfahrt wenige Monate vor dem Abschluss an der elitären Highschool in ein Skigebiet führt, setzen sich der aus einer schwerreichen Familie stammende Marcus und sein bester Freund Tom, aus einer ärmeren Familie abstammend und nur dank eines Stipendiums Schüler an der Privatschule, zusammen mit ihrer Mitschülerin Yasmin, in die Tom schon seit Langem verliebt ist und für die auch Marcus just zu schwärmen begonnen hat, ab, um abseits der angezeigten Pisten Ski zu fahren.
Dabei kommt es zum Unglück: Während Yasmin in den Tod stürzt, verunfallt Tom derart schwer, dass er fortan querschnittsgelähmt ist.
Lediglich Marcus passiert rein gar nichts während der „Abenteuerfahrt“, nicht körperlich. Aber hernach macht er sich schwere Selbstvorwürfe, auch da er so sehr für diesen Ausbruch aus der Gruppe war, während Tom deutlich gehadert hatte, abseits der Pisten zu fahren.
 
Aber während Marcus sich seiner Mitverantwortung vollauf bewusst ist, ist sein Vater vor Allem besorgt, dass man versuchen könne, ihn juristisch haftbar zu machen und auch die Schule scheint mehr als besorgt zu sein, dass man sie wegen mangelnder Aufsicht belangen könne: Um sich von vornherein zu distanzieren, wird beschlossen, Tom von der Schule zu verweisen und Marcus erkennt, dass er sich wohl nur deswegen nicht mit denselben Konsequenzen konfrontiert sieht, weil er zur reichen Elite gehört …

Mette Bach: „Killer Drop“°°°


„Killer Drop“ zählt zu den Sidestreets-Büchern von Lorimer, bei denen es sich um kürzere, knackige Jugendromane handelt, die nicht nur als Schullektüre geeignet sind, sondern vor Allem dazu dienen soll, in jungen Lesern die Begeisterung fürs Lesen zu wecken und den Sprachschatz der entsprechenden Klientel zu erweitern ohne zu überfordern.
Damit eignen sich diese Bücher auch hervorragend für bislang Sprachfremde und erst recht für jene, welche ihre Englischkenntnisse auffrischen möchten.

Mit „Cutter Boy“ hatte ich bereits ein Sidestreets-Buch vorgestellt, welches mir sehr gut gefallen hatte, und auch das Lorimer-Buch „Missing“ der Autorin Melanie Florence lässt sich hier einordnen.
Allerdings räume ich sofort ein, dass ich mich mit „Killer Drop“ doch deutlich schwerer getan habe.

„Killer Drop“ wird von Marcus selbst erzählt, der hier eine deutliche Entwicklung durchlebt: vom Sunnyboy und Player, der unbesorgt durch’s Leben geht, bis hin zu wem, der erkennt, dass sein Reichtum ihn nicht vor Allem schützen kann und dass es eben Dinge gibt, die sich nicht mit Geld regeln lassen.
Symptomatisch schon der Beginn seiner schulischen Laufbahn, als ihn sein Vater darauf hinweist, wenn jemand ihm querkäme, solle er deutlich darauf verweisen, dass der Name seiner Familie mit dem auf einem Flügel der Schule identisch wäre. Diese Anmerkung wirkte natürlich erst recht von Arroganz geprägt, bedenkt man, dass besagte Schule lediglich wenige Stipendien vergab und hauptsächlich von Schülern besucht wurde, für deren Familie Geld ebenfalls gar keine Rolle spielte.
Auch später wurde in erster Linie die Sorge geäussert, Toms Familie könne Ansprüche stellen, während die Möglichkeit, dass Yasmins Familie klagen könne, gar nicht erst in Betracht gezogen wurde. Tatsächlich gab diese sich, für mich irritierend, absolut uninteressiert an den letzten Minuten im Leben ihrer Tochter.
Ich fand es auch seltsam, dass ständig betont wurde, wie reich die Familie von Marcus doch sei, aber der Vater definitiv ausschliessen wollte, sich ggf. an Toms Behandlungskosten beteiligen zu müssen; Toms Familie hatte hier nicht die geringsten Andeutungen gemacht, bekam aber sehr schnell nach dem Unfall eine entsprechende Verzichtserklärung zugeschickt. Zudem waren Tom und Marcus seit Jahren die dicksten Freunde und dass Tom aus eher ärmlichen Verhältnisse stammte, war klar: Deswegen habe ich nicht verstanden, warum Marcus‘ Familie, selbst wenn Marcus gar nicht in den Unglück involviert gewesen wäre, nicht gesagt habe sollte: „Macht euch keine Gedanken; wir übernommen die Behandlungskosten. (Verzocken wir beim nächsten Vegas-Ausflug halt mal eine halbe Million weniger.)“
Stattdessen wurde Marcus, als er Toms Vater wie selbstverständlich beim rollstuhlgerechten Umbau zur Hand ging, von seinem Vater noch getadelt, dass das womöglich wie ein Schuldweingeständnis wirken könnte.
Für Marcus‘ Mutter schien es hingegen von absoluter Wichtigkeit zu sein, auf Yasmins Trauerfeier schön auszusehen, weil deren Familie, die sie gar nicht weiter kannte, „Dasselbe auch für sie getan haben würde“.
Marcus lernt hier auf die harte Tour, dass er in einer surrealen Welt lebt, in der neben Reichtum nur der schöne Schein zählt, während die reale Welt ihm gezeigt hat, dass sie eben auch sehr hässlich sein kann und man mit Geld doch nicht alles kaufen kann.

Der Lerngehalt der Geschichte ist also durchaus höher als „auf Klassenfahrt solltet ihr auf eure Lehrer hören und nicht eigenmächtig irgendwelche Touren unternehmen“; bei Amazon wird das Lesealter derzeit mit 8-10 Jahren angegeben, was ich definitiv als zu niedrig angesetzt sehe: Zum Einen stehen die Figuren in „Killer Drop“ kurz vor dem Schulabschluss und sind somit kaum als Identifikationsfiguren für Kinder im Grundschulalter geeignet und zum Anderen gibt es eine Szene, in der es zum Oralsex kommt. Dieser wird zwar nur zaghaft angedeutet, ist aber offensichtlich dadurch, dass Marcus später stolz erzählt, mit wie vielen Mädels seines Jahrgangs er somit nun herumgemacht hat. In der Szene selbst wird lediglich wild herumgeknutscht, in Unterwäsche gegriffen und ihrerseits vor ihm in die Knie gegangen.
Dazu eine Szene, in welcher es von immenser Wichtigkeit zu sein scheint, dass man Alkoholisches trinkt (und in welcher dem Mitarbeiter, der sich weigert, offensichtlich Minderjährigen Alkohol zu servieren, gedroht wird, man würde dafür sorgen, dass dieser seinen Job verliert).

Persönlich würde ich eine Altersempfehlung für ab der siebten oder achten Klasse aussprechen, wenn man sicherlich weitaus eher als ein Achtjähriger in der Lage ist, das Gelesene genau zu reflektieren.
„Killer Drop“ ist definitiv eines dieser Bücher, die nachhallen und die dazu einladen, sich bewusst mit den Inhalten auseinanderzusetzen: Auch Marcus kommt die Erkenntnis, dass sich mit Geld nicht alles richten lässt, dass es nicht alles Wertvolle mit einem Preisschild versehen werden kann, nicht ganz plötzlich, sondern schleichend, während um ihn herum das gewohnte Leben weitergeht.
Dies ist auch ein Knackpunkt in der Geschichte: Marcus wird quasi völlig im Regen stehengelassen; das hat mich hier auch sehr gestört, dass ihm gar keine Betreuung zuteil wurde. Er hat überlebt, ihm ist nichts passiert, und fertig. Niemand interessierte sich dafür, wie es ihm erging, und so rutschte er erst recht völlig unbemerkt in die „warum ist mir nichts geschehen?“-Gedankengänge ab.
Das hat mich wirklich gestört, dass sich selbst seine Eltern gar nicht weiter erkundigten, ob er okay wäre.

Schwer getan habe ich mich ansonsten ein wenig mit dem Ende: Die Sidestreets-Bücher bilden im Allgemeinen eher aktuell gegenwärtige Situationen ab und enden jeweils relativ abrupt, zeigen so zwar auf, dass es das grosse, dolle Ende in der Wirklichkeit gar nicht gibt, plötzlich nicht alles gut, sondern das Leben mit all seine Finessen und auch Heimtücken weitergeht, aber grade im Falle von „Killer Drop“ war mir die Geschichte nun doch zu plötzlich zu Ende.
Zudem geht der Schluss mit einer sehr impulsiven Handlung einher, die letztlich gar nicht so impulsiv erscheint, bedenkt man, wie lange Marcus nun über die Unfairness des Lebens sinniert haben muss. Eigentlich passte sie auch hervorragend zu Marcus‘ Erkenntnisgewinnen, aber mir war dieser Akt doch ein wenig zu überzogen.

Insgesamt ist „Killer Drop“ sicherlich kein Buch, um es einfach mal so nebenher wegzulesen; ehrlich gesagt fand ich es selbst unmittelbar, nachdem ich den Roman am Stück weggelesen hatte, auch eher „joah, naja, war nun schon irgendwie minderprächtig“. „Cutter Boy“ sowie „Missing“ hatte ich als deutlich spannender und eben auch unterhaltsamer empfunden, im Nachhinein aber weniger weiter über die Handlung nachgedacht als nun bei „Killer Drop“, von dem ich erst zwei Tage später zu denken begann, dass es eben doch ein tolles, sehr eindrückliches Buch sei.
Aber man muss sich eben schon weiter mit der Geschichte auseinandersetzen; von daher würde ich „Killer Drop“ auch als sehr gut für den Mittelstufen-Englischunterricht geeignete Lektüre ansehen.
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Mette Bach: „Killer Drop“ – viel eher nachhallende Diskussionsgrundlage als Unterhaltungsliteratur
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„Killer Drop“ von Mette Bach, erscheint im August 2016
Amazon: Taschenbuch (7,51€ [160 Seiten])* / Bibliothekseinband (26,99€)*


Hinweis: Mir war ein Rezensionsexemplar im eBook-Format angeboten worden, wobei hier noch unklar zu sein scheint, ob dieser Titel letztlich auch dem Endkunden digital offeriert werden wird!

1 Kommentar:

  1. Hi,

    von den Sidestreets-Büchern habe ich irgendwie noch gar nichts gehört. Klingt interessant, auch wenn die GEschichte hier wohl von der Story eher nichts für mich wäre!

    Liebe Grüße
    Jessi

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