Mittwoch, 1. Juli 2015

Ryan Ringbloom: "Fake Boobs"

Ryan Ringbloom: „Fake Boobs“°°°


Null Selbstsicherheit, null Titten. Ihrer eigenen Meinung nach ist Tori Albert allenfalls ein unscheinbares, aber wahrscheinlich eher doch hässliches, Mauerblümchen. In diesen Ansichten fühlt sie sich vor Allem auch dadurch bestärkt, dass sie bis zum Schulabschluss noch gar keine romantischen Erfahrungen machen konnte und dass insbesondere die Freunde ihres etwas älteren Bruders immer gleich abblocken, wenn ihre Gespräche auf Tori zusteuern, während sie sich nicht scheuen, offen über Toris Mitschülerinnen zu diskutieren.
Die sich inzwischen verzweifelt nach männlicher Aufmerksamkeit sehnende Tori überhört auch wiederholte Hinweise, dass sie einfach nur aufgrund der Tatsache, Jims Schwester zu sein, tabu ist; nein, sie meint, sie wäre definitiv nicht hübsch genug, als dass sich jemand vorstellen könnte, mit ihr auch nur herumzuknutschen.

Doch dann entspinnt sich, bevor ihre College-Zeit anbricht, noch ein heimliches Verhältnis mit Grant, dem besten Freund ihres Bruders, der sie aber unvermittelt sitzenlässt und auch sonst jegliche Brücken in ihre gemeinsame Heimat abreisst. Toris Herz ist gebrochen …

… im College angekommen, beschliesst Tori, nie wieder einen Mann so nah wie Grant an sich heranzulassen und sich ein Beispiel an ihrer neuen Mitbewohnerin Kenna zu nehmen, welche sich Toris annimmt und ihr ein Umstyling verpasst, nachdem sie Tori unter Anderem unverblümt mitgeteilt hat, dass deren Flachbrüstigkeit ein echtes Problem sei, in dieser Welt, in der Aussehen alles ist.

Nur wenige Jahre später erkennt Grant in einer Bar (einer Art "Hooters") in einer der Angestellten, übermässig geschminkt, gefärbtes Haar, falsche Fingernägel, offensichtlich künstliche Riesenbrüste, die dereinst so natürliche Tori wieder, in die er immer noch verliebt ist.

Aber er weiss nicht, wieviel dieser Tori noch hinter all dieser affektierten Künstlichkeit steckt und Tori weigert sich, in Grant etwas Anderes sehen zu wollen, als den Mann, der ihre Liebe abgeschmettert hat und der die „echte“ Tori auch nicht wollte. Zugleich setzt ihr selbst die falsche Oberflächlichkeit aber auch immer mehr zu und kann man sich in dieser Welt wirklich nur durch Äusserlichkeiten behaupten?



Mit N.G. Jones „If“ hab ich zuletzt bereits einen etwas ernsthafteren Roman aus dem NA Romance-Bereich vorgestellt; in Sachen Tiefgründigkeit folgt Ryan Ringblooms „Fake Boobs“ diesem Beispiel: Die Tori-Grant-Paargeschichte zieht sich zwar wie ein roter Faden durch die Handlung, aber das grosse Thema sind hier doch die Minderwertigkeitskomplexe, die Tori heimsuchen und die sie später dazu veranlassen, ihr komplettes Aussehen zu verändern. So ist eigentlich nur die Rede davon, dass sie unter ihrer quasi nicht existenten Oberweite leidet, die sie zunächst mit Push-Ups und Einlagen „vergrössert“, sich später aber Implantate einsetzen lässt, deren Masse deutlich übertrieben ist. Dass sie zudem aber auch erblondet und ihre Augen mit Hilfe farbiger Kontaktlinsen sogar erblauen lässt, zeigt allzu deutlich, wie sehr Toris Selbstwahrnehmung eigentlich gestört ist.

„Fake Boobs“ wird im Wechsel von Tori und Grant erzählt, etwas achronisch: Im „Prolog“ erzählt Grant, wie er heute Tori in dieser Kunstfigur, zu der sie geworden ist, wiedererkannt hat. Danach erzählt Tori ihre Geschichte von der Zeit des Abschlusses und des Collegestarts an, bis wieder zu Grant gesprungen wird, der seine Version der damaligen Abläufe wiedergibt, bis letztlich beide Erzählstränge bis zum Ende quasi parallel verlaufen.
Von daher wusste ich als Leserin natürlich immer etwas mehr, aber dass Tori das Verhalten der brüderlichen Freunde völlig verquer einschätzte, war von Anfang an klar, zu offensichtlich verstand sie jedes Mal, wenn wer sagte: „Du bist hübsch, aber du bist auch Jims Schwester.“ automatisch: „Du siehst für einen Mensch ganz okay aus, aber als Frau bist du eine echte Nullnummer.“
Tatsächlich war auch der einzige Mann, der sich je negativ oder überhaupt über ihre Brüste äusserte, ein fremder Spacken, der sich nur dazu herabgelassen hatte, den Flügelmann eines Bekannten zu geben, welcher Kenna aufreissen wollte. (Aber natürlich liess sich Tori davon noch weiter herunterziehen und sich daraufhin nur zu gerne auf ein komplettes Ummodeln ein.)
Grade eingangs fand ich Toris Pessimismus und ihr Selbstbild sehr nervenaufreibend, für mich war sie zu sehr in ihrer verzerrten Wahrnehmung gefangen und ich habe es wirklich gehasst, dass sie so fokussiert auf Jims Clique war und auch das College nicht als eine Chance sah, mal nicht „die kleine Schwester“ zu sein. Aber gut, solche Komplexe kann man nicht einfach abschütteln und dass im College dann auch besagter Spacken noch so rumlamentierte, war auch nicht sonderlich hilfreich. Naja.
Später gewann ich sie dann doch mehr lieb, obwohl?! Nee, Tori war für mich eher eine „Oh, honey“-Figur (-> „How I met your mother“*; Staffel 6, Folge 15), bei der ich seufzend beobachtete, wie sie sich ein ums andere Mal völlig widersinnig verhielt. Frei nach dem Motto: „Hach, dieser jugendliche Leichtsinn. Aber wann kommt das Mädchen jetzt endlich wieder mal zur Vernunft?“
 
Widersprüchlich war auch der Grund, warum Grant sich damals so völlig zurückgezogen hatte, zum Einen hätte er wirklich nicht seinen kompletten Freundeskreis hinter sich lassen müssen und zum Anderen ergab es gar keinen Sinn, dass er Tori, „nur zu ihrem Besten“, derart hatte auflaufen lassen. Ts, und da lästern immer alle über Frauenlogik! :/

Total geliebt habe ich wiederum die Figur des „Charley“, Grants sofort selbsterklärtem besten neuen Freund, der meinte, die „Frau mit schwulem besten Freund“-Nummer sei veraltet und „heisser Heteromann mit sexy, schwulem besten Freund“ wäre das neue grosse Ding.
Leider trat er in „Fake Boobs“ nicht so oft auf, aber Kenna empfand ich als nur unwesentlich präsenter und obschon „Fake Boobs“ definitiv eine standalone novel ist, wird in absehbarer Zeit mit „Hooker Heels“ wohl ein lose mit „Fake Boobs“ zusammenhängender Roman erscheinen, in dem Kenna ihre persönliche Geschichte erzählt.
Ich würde ja nun viel lieber noch einen Charley-Roman  lesen, da mir die schönheitsbesessene Kenna eigentlich bis zuletzt sehr unsympathisch war, zumindest so sehr, dass ich hoffte, sie würde endlich mal so richtig auf die Fresse fallen und einsehen, was wirklich wichtig ist im Leben. Leider dachte sie auch, als ihr Aussehen nicht mehr zu reichen schien, als Erstes prompt darüber nach, was sie nun noch am Schnellsten und am Besten daraus ziehen sollte. Die Schönheitskuh bis auf den allerletzten Tropfen Milch melken.
Aber ich hoffe, „Hooker Heels“ wird daraus hinauslaufen, dass auch Kenna sich letztlich mit sich selbst anfreundet und ihre Persönlichkeit nicht länger ausschliesslich über ihr Aussehen bzw. darüber, wie sie optisch auf Andere wirkt, definiert.  

Trotz des ernsthaften Aspekts war „Fake Boobs“ aber doch sehr leicht zu lesende Lektüre, eine gelungene Kombination aus einer typischen Romance-Geschichte und einem Coming-of-Age-Drama, in dem es tatsächlich um den persönlichen Reifeprozess, der hier authentisch langwierig verlief, ging und nicht nur darum, einfach bloss in der „Erwachsenenwelt“ anzukommen.

Als „funny read“ würde ich „Fake Boobs“ nun nicht grade einstufen, auch wenn es –insbesondere dank Charley- doch einige Szenen zum Schmunzeln gab; nach dem Lesen der Kurzbeschreibung hatte ich hinter „Fake Boobs“ doch deutlich mehr Humor bzw. Albernheit vermutet, halt den typischen „heiteren Frauenroman“. (In der tatsächlich vorliegenden Form hat mir die Geschichte dann doch auch noch deutlich besser auch als zunächst vermutet gefallen!)

Empfehlenswert? Definitiv!
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Ryan Ringbloom: „Fake Boobs“ – fand ich insgesamt doch toll! :)
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„Fake Boobs“ von Ryan Ringbloom, erschienen am 04.02.2015
Amazon: Kindle eBook (2,99€)*

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